... gestern in der Mittagspause hatte ich einmal wieder Zeit, die jüngste Urteils-Sammlung des ADAC in Sachen "Motorrad" zu durchstöbern.
Screenshot www.adac.de |
Höchst interessant, was sich da in Sachen "Rechtsprechung" so alles tut:
Gleichwohl ein falsch geparktes Motorrad in der Regel nicht einmal
ein Viertel der Fläche eines falsch geparkten Autos hat, entschied das Verwaltungsgericht Mainz kürzlich, dass auch falsch abgestellte Motorräder z.B. aus Fußgängerzonen regelmäßig abgeschleppt werden dürfen und der Biker anschließend zur Kasse gebeten werden darf. Denn allein der Größenunterschied zu einem Pkw ändere nichts an
der auch durch falsch abgestellte Motorräder ausgehenden Gefahr.
Kann nach einem deutlichen Geschwindigkeitsverstoß eines - nur von hinten geblitzten - Motorradfahrers der ursächliche Fahrer nicht ermittelt werden, weil sich der Halter weigert, dessen Identität zu benennen, darf das Gericht sogar eine
Hausdurchsuchung beim Halter anordnen. Zum Beispiel, um durch das Aufinden der fotografierten Motorradbekleidung an die Identität des Fahrers zu gelangen. Gleichwohl eine Hausdurchsuchung einen gravierenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte darstellt, sei sie und die dabei mögliche Beschlagnahme im Verhältnis zur Schwere der Tat angemessen. In diesem Fall hatte Biker das Limit außerorts um 39 km/h überschritten.
Als ein Biker 2012 wie gewohnt auf der täglichen Fahrt zur Arbeit eine Fähre benutzte und bei Befolgung der Anweisungen des Fährpersonals stürzte - die Fähre hatte einen neuen Bodenbelag bekommen, der extrem glatt war - wurde ihm 2012 vom Holsteinischen Oberlandesgericht ein erhöhtes Schmerzensgeld zugesprochen. Begründung: Der Biker war vorab nicht über die nicht zu erwartende erhöhte Rutschgefahr informiert worden. Verschärfend kam dann noch hinzu, dass die Fähre des Nahverkehrsunternehmens am darauffolgenden Tag versucht hatte, die Sturzursache zu vertuschen, indem rasch ein weiterer Bodenbelag aufgetragen wurde. Der Fährbetreiber wurde zu Schadensersatz und Schmerzensgeld verurteilt.
Kann nicht geklärt werden, warum ein auf einem öffentlichen
Parkplatz abgestelltes Motorrad umgestürzt ist und dabei ein daneben parkenden
Pkw beschädigt hat, so kann der geschädigte Pkw-Eigentümer nach Ansicht des
Landgerichts Düsseldorf keinen Anspruch auf Schadensersatz
gegen den Motorradführer geltend machen. Begründung: Es fehle an einer Haftungsgrundlage, da sich der Unfall nicht "bei Betrieb" des Motorrades ereignet
hat.
Das Oberlandesgericht München urteilte Ende 2012 gegen einen klagenden Motorradfahrer, der aufgrund der nächtlichen Blendung durch einen Autofahrer gestürzt war. Eine Pkw-Fahrerin
war nachts mit etwa 40 km/h durch einen unbeleuchteten Ort gefahren
und hatte - wohl nachweisbar - Abblendlicht eingeschaltet, das den entgegenkommenden Motorradfahrer allerdings derart blendete, dass er stürzte und in das entgegenkommende Fahrzeug rutschte. Seine Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld
wurde allerdings abgewiesen, da der PKW-Fahrerin keine Mitschuld nachgewiesen werden konnte.
In einem ganz besonders tragischen Fall stürzte ein zu schnell fahrender
Biker kürzlich wegen eines unaufmerksam über die Straße laufenden Fußgängers
und erlitt dabei eine Querschnittslähmung. Seine Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wurde allerdings überraschend mehrheitlich zu Gunsten des Fußgängers entschieden. Das Landgericht Mönchengladbach meinte dazu: Zwar sei ein Fußgänger bei der Überquerung einer Straße ohne Zebrastreifen verpflichtet, dafür zu sorgen, nicht die
Fahrspur eines nahenden Kfz zu betreten. Befindet sich der Fußgänger aber bereits auf der Straßenmitte, muss der motorisierte
Verkehr damit rechnen, dass der Fußgänger nicht dort wartet, sondern dass er
die Straße schnellstmöglich verlässt. Zudem dürfe ein bevorrechtigter Verkehrsteilnehmer, der sein Fahrzeug
mit überhöhter Geschwindigkeit führt, nicht erwarten, dass sich Fußgänger verkehrkonform verhalten. Und bleibt ein Motorradfahrer aufgrund des durch den Fußgänger verursachten Unfalls
querschnittsgelähmt, so haftet er dennoch zu mindestens 60% mit.
Mein Mittagspausen-LeseTIPP der Woche: Vor Gericht und auf hoher See ist ja bekanntlich alles möglich - dennoch lohnt es sich, ab und zu einmal die aktuellen Urteilssammlungen des ADAC (www.adac.de) zu durchforsten. Nicht nur, um zu erfahren, was Biker im Fall der Fälle alles so "blühen" kann, sondern auch, um zu lesen, wie gänzlich unterschiedlich deutsche Richter heutzutage in unserer Bananenrepublik entscheiden.
Zwar sind sie eigentlich streng an Recht & Gesetz gebunden, aber leider ist das in vielen Fällen eine derart gummiweiche "Auslegeware", so dass 100%iger Verlass auf das Gesetz wohl niemals besteht. Andererseits können Präzendenzfälle so manchen Richter in aktuellen Verhandlungen nachhaltig umstimmen oder beeinflussen.
Denn Präzendenzfälle sind höchst bequeme Quellen für Richters eigene Entscheidungen ...
Vor allem bei der akuten und bundesweiten Überlastung unserer Gerichte ...
Da greift so mancher gerne zu der fix & fertig vorformulierten Kollegen-Meinung ...
Um wieder eine Akte rasch vom Tisch zu bekommen ...
Irgendwie ja auch menschlich, oder ...
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